Der diesjährige Shalompreis geht an Kiran Kamal Prasad und das von ihm gegründete Projekt Jeevika. Prasad engagiert sich in Karnataka, einem Bundesstaat im Südwesten Indiens, seit 1988 gegen Schuldknechtschaft. Dabei handelt es sich um eine Form der Zwangsarbeit und moderner Sklaverei. „Jeevika“ steht für „Jeeta Vimukti Karnataka“, was so viel bedeutet wie „Leben ohne Schuldknechtschaft in Karnataka“. In Indien arbeiten und leben nach Schätzungen internationaler Organisationen elf Millionen Menschen unter Sklaverei ähnlichen Bedingungen. Zwar ist die Schuldknechtschaft in Indien seit 1976 verboten, doch die Gesetze werden auf lokaler Ebene oftmals nicht umgesetzt.
Schuldknechtschaft entsteht aus Armut: Die Löhne etwa in der Landwirtschaft, in Steinbrüchen und Ziegeleien oder auf dem Bau reichen gerade für das Allernötigste. Für Medikamente, neues Saatgut oder selbst für Essen müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter Kredite bei privaten Geldverleihern aufnehmen. Um die Schulden abzuzahlen, werden sie verpflichtet, in deren Betrieben oder Haushalten für kaum mehr als ein Taschengeld zu arbeiten. Ein dauerhaft lukratives Geschäft für die „Arbeitgeber“. Für die Betroffenen, zumeist Dalits (ehemals „Unberührbare“) und Adivasis (Indigene), bedeuten sie eine Spirale aus Armut und Schuldknechtschaft, der sie kaum entkommen können. Schuldknechtschaft geht auch mit großen Eingriffen in die Gesundheit und in das gesamte Leben einher. In einigen Branchen erstreckt sich die Schuldknechtschaft auf ganze Familien. Die Arbeitszeiten reichen bis zu 22 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Nicht selten werden die Arbeiterinnen und Arbeiter gefährlichen Tätigkeiten oder schädlichen Stoffen ausgesetzt. Oftmals dürfen sie Haus und Hof nicht mehr verlassen. Wenn sie sich wehren, müssen sie mit Schikanen und Boykotten rechnen, häufig kommt es zu körperlicher Gewalt wie Schlägen, Verletzungen und Vergewaltigungen oder gar Ermordungen.
Jeevika unterstützt die Menschen in den Dörfern Karnatakas, vorhandene Abhängigkeitsstrukturen aufzubrechen und begleitet sie in den mehrjährigen Freilassungs- und Rehabilitierungsprozessen. Der Hauptfokus Jeevikas liegt auf der Stärkung der Dalits und anderer am äußersten Rand der Gesellschaft lebender Gemeinschaften. Die Gleichstellung von Mann und Frau in ländlichen Räumen sind ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit. Schul- wie auch Erwachsenbildung und gewerkschaftliche Organisierung werden als Schlüssel im Kampf gegen Armut und für ein Leben in Würde angesehen. Bereits 30.000 Menschen konnten aus der Schuldknechtschaft befreit werden, 5000 bekamen mit der Unterstützung von Jeevika Rehabilitierungsmaßnahmen von der Regierung bewilligt.